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Zentrum für politische Selbstvergewisserung

Das Zentrum für politische Schönheit hat die Zitate von Holocaust-Opfern verfälscht wiedergegeben, um seine umstrittene Installation vor dem Bundestag zu legitimieren. Das geht aus einer Recherche hervor, die von Friedensdemo-Watch veröffentlicht wurde, einem watchblog gegen Antisemitismus und Verschwörungstheorien: Hier wurde geschickt der Kontext weggelassen, dort eher plump das Wort Asche eingefügt, um den Bezug überdeutlich zu machen.

Künstler dürfen lügen, um die Wahrheit zu sagen. Sie dürfen uns zum Beispiel gefälschte Zitate als echt andrehen, um uns mit unseren Vorurteilen oder unserer Autoritätshörigkeit zu konfrontieren, indem sie uns wieder ent-täuschen. Was sie aber nicht dürfen, ist, es bei der Lüge und uns im Glauben der Unwahrheit zu belassen. Die Lüge des ZPS war aber nicht auf die Wahrheit gerichtet, sondern darauf, die eigenen Aktionen als den Willen von Holocaust-Opfern zu verkaufen. Mit diesem Argument, mit einem der verfälschten Zitate reagierte das ZPS zum Beispiel auf die Strafanzeige Volker Becks wegen Störung der Totenruhe.
Der unbedingte Wille zur (moralischen) Selbstüberhöhung beginnt und endet aber nicht mit gefälschten Zitaten. Er zeigte sich schon darin, dass es das ZPS überhaupt für eine gute Idee hielt, die Asche von Holocaust-Opfern den eigenen politischen Zielen zu unterwerfen und in eine Berliner Metallsäule oder einen Hallenser Eisladen abzutransportieren. Die beinahe einhellige Kritik von Organisationen, die jüdisches Leben, Opfer des Holocausts und ihre Angehörigen repräsentieren, die mit Holocaust-Gedenken oder -Forschung betraut sind, aber auch von anderen antifaschistischen Akteuren, dürfte das ZPS überrascht haben.
Dabei ist insbesondere jenen, die sich aus persönlichen Gründen mit dem Thema beschäftigt haben, völlig klar, dass es zwischen dem jüdischen Gebot der Totenruhe, die eine nachträgliche Umbettung verbietet, den würdelosen Ruhestätten und der vermengten, ununterscheidbaren Asche von gottfreien Kommunisten und strenggläubigen Juden ein unauflösbares Dilemma gibt, in dem es unmöglich ist, den Menschen, um deren letzte Ruhe es geht, gerecht zu werden. Wenn Würde bedeutet, noch als eigener Mensch wahr- und ernstgenommen zu werden, nicht bloß als Objekt, dann ist auch das Bestandteil des NS-Verbrechens: Eine letzte Entwürdigung der Opfer, die insbesondere ihre Angehörigen schwer belasten dürfte.
Aber selbst in seiner Entschuldigung für seine Ignoranz hat das ZPS noch die Arroganz, die Adressaten dieser Entschuldigung – genau diese Angehörigen – noch darüber zu belehren: Die Ruhe der Toten des deutschen Massenmordes sei ja ein schwieriges Problem, auf das man nun aufmerksam gemacht habe. Diese Schutzbehauptung des Zentrums für moralische Selbstüberhöhung ist durchschaubar und macht wütend: Weil es das ZPS gerade erst herausgefunden hat, muss es für den Rest der Welt auch eine Neuigkeit sein – und das ZPS ihr heldenhafter Entdecker, der Mahner einer (vor Allem von ihm selbst) vergessenen Wahrheit.
Dabei liegt der Installation des ZPS eine noch größere Lüge zu Grunde - größer als die verfälschten Zitate oder die Schutzbehauptung, man habe auf die letzte Ruhestätte der Opfer des Holocausts aufmerksam machen wollen: Nicht im Namen der Toten und ihrer Zitate wurde das ZPS tätig, nicht um sie als Menschen zu begreifen, identifizierbar zu machen und ihnen gerecht zu werden. Sondern im Namen der Aktion organisierte sich das ZPS Tote und Zitate. 
Nur deswegen konnte es diese Aktion durchführen, ohne jene zu fragen, die durch Forschung oder persönliche Betroffenheit noch eine Verbindung zu den Menschen haben, die von den Nazis verbrannt wurden oder diese gar durch eigene Recherche, eigenes ehrliches Interesse am Gegenstand seines vermeintlichen Gedenkens selbst herzustellen. Das ZPS war nicht an den Menschen interessiert, sondern an Werkzeugen.
Der Schaden dieser Einstellung geht aber über die Ahnungslosigkeit des ZPS und die Täuschung seines Publikums hinaus. Vielfach wurden Menschen angefeindet, insbesondere auch jüdische Angehörige von Holocaust-Opfern, wenn sie die Aktion kritisierten. Ihnen wurde vorgeworfen, sich nicht für die ihre Toten interessiert zu haben. In der Kommentarspalte hieß es seitens der ZPS-Anhänger zur Rechtfertigung, Kunst müsse weh tun. Aber wem? Müssen selbst noch im Holocaust-Gedenken seine Opfer die Leidtragenden sein?
Wenn man die Aktion an ihrem Ziel und ihrer Wirkung bemisst, ist sie gescheitert. Das ZPS wollte eine Koalition zwischen Konservativen und Rechtspopulisten durch den Vergleich zur Machtergreifung Hitlers delegitimieren – ein in sich schon fragwürdiger, weil ahistorischer Vorgang – und buddelte dafür auch Franz von Papens Grabstein aus. Am Ende sind aber weder AfD noch Union die Getroffenen, die Stellung nehmen und sich rechtfertigen müssen, sondern Verbände und Organisationen, die jüdisches Leben in Deutschland repräsentieren oder den Opfern des Holocausts gedenken.
Immerhin eine Wahrheit hat uns das ZPS aufgedeckt, wenn auch bloß versehentlich: Das vermeintlich bessere, linksliberale Deutschland hat zum Holocaust-Gedenken kein weniger instrumentelles Verhältnis als das staatstragende, verfassungspatriotische Deutschland. Ebenso wie das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden vor Allem in den Dienst eines neuen Deutschland-Stolzes gestellt wurde, dient die ZPS-Installation nicht dem jüdischen Leben, seinem Schutz oder der Erinnerung an seine Vernichtung, sondern der Selbstvergewisserung.
Lea Rosh, die schon bei der Errichtung des Berliner Holocaust-Mahnmals dem Zentralrat der Juden erklärte, sie mögen sich da heraushalten, das Denkmal würden die Nachkommen der Täter bauen, ist heute folgerichtig auch von der Installation des ZPS begeistert: In beiden Fällen war die Beteiligung der Opfer und ihrer Angehörigen nur insoweit vorgesehen, wie sie dem übergeordneten Ziel nutzbar waren, also im Zweifel nur soweit sie schon tot waren und sich nicht mehr wehren konnten.
Weil nach der massiven Kritik aber selbst die Toten nicht mehr so leicht zu nutzen sind, hat das ZPS sie kurzerhand ausgetauscht. Die Aktion aber geht weiter, sich ihr Scheitern einzugestehen, ist zu viel verlangt. Stattdessen werden die Juden durch einen anderen Bezug ersetzt, ihre Asche wurde entfernt. Eine neue Plakette prangt an der mittlerweile angesägten Säule und beschwört den Kampf gegen die Feinde der Demokratie.
Aber statt sich auf den Buchenwaldschwur zu beziehen, der historisch relevant gewesen wäre, bedient sich das ZPS plötzlich in der Geschichte des antiken Athen und findet dort, was es braucht: Einen Todesschwur den Feinden der Demokratie. Für das ZPS steht die Vernichtung des politischen Gegners im Mittelpunkt – und dafür sind alle Mittel Recht: Unehrlichkeit, Täuschung, die Instrumentalisierung von Holocaust-Opfern, verfälschte Zitate, ahistorische Gleichsetzungen der AfD mit dem historischen Nationalsozialismus oder genau diesen überhöhten historischen Rahmen ganz schnell wieder zu vergessen und ihn mit der von Tyrannen bedrohten attischen Demokratie für austauschbar zu halten.
Die Verfasser des Schwurs von Buchenwald dagegen wollten zwar auch die Vernichtung des Nazismus und seiner Wurzeln, aber selbst das nicht als Selbstzweck, sondern als Voraussetzung für ein Projekt von wahrhaftiger politischer Schönheit: „Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig. [...] WIR SCHWÖREN!"


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