„Nein“,
log Kannidos. Was würde jemand Unschuldiges, ein treuer Bürger der
Guten Ordnung jetzt sagen? „Was ist das?“
„Ein
Spion.“
„Ein
Spion?“
„Wir haben ihn hier gefunden. Am Zentralverteiler.“
„Bitte?“
Kannidos musste seine Reaktion nicht vortäuschen. „Unsere Wohnung
wurde ausspioniert? Damit?“
„Ja.
Ich befürchte, alles wurde aufgenommen. Und ich befürchte wir
werden das auswerten müssen, um herauszufinden, was die Täter
gesucht haben könnten. Ganz professionell und mit aller gebotenen
Zurückhaltung natürlich. Jedenfalls muss sich jemand Zugang zur
Wohnung verschafft haben. Irgendwelche Ideen wer das geschafft
haben könnte?“
„Nein“,
antwortete er, als wäre das die absurdeste Frage, die ihm jemand
hätte stellen können, „Ich glaube, das ist der Sinn von Spionage.
Heimlichkeit.“
„Keine
Gäste, die dafür in Frage kommen?“
„Was?“,
er täuschte vor, einen Moment darüber nachzudenken, „Nein. Nein,
das kann ich mir nicht vorstellen.“
„Hat
jemand in letzter Zeit versucht, dich nach der Arbeit deines Ma-
deines Freundes auszufragen?“
„Nein.“
„Und
nach deiner Arbeit? Nach der Publikationsaufsicht? Hat dich jemand
danach ausgefragt?“
„Nein.
Nur mein Verlobter“, antwortete Kannidos. Sein Geliebter sah ihn
überrascht an.
„Auch
niemand aus dem Milieu, in das du aus Gründen, die mir egal sind,
verwickelt bist?“
„Nein.“
„Sicher?
Denk noch einmal darüber nach. Man redet doch. Insbesondere wenn man
… redselig ist.“
„Wir
reden über Sport, über Geschichten – über Literatur im
Allgemeinen. Wir machen uns über C-Promis lustig und schauen alberne
Filmchen oder hören Musik, manchmal spielen wir Videospiele. Aber niemand geht
dorthin, um sich über die echte, über die ernste Welt Gedanken zu
machen. Es wäre mir aufgefallen, wenn das jemand anders gehalten hätte.“
„Mh.
Nagut.“
„War
das alles?“, unterbrach Kannidos' Geliebter ungeduldig.
„Das
war alles“, seufzte der Beamte und stand auf.
„Vergisst
du nicht etwas?“, mahnte Kannidos' Geliebter.
„Ach
ja“, der Polizist setzte sich wieder, „Das Ding ist: Wir haben
diese Spionagegeräte jetzt mit einigen Sachen in Verbindung bringen
können. Hauptsächlich bei Sicherheitsbehörden. Aber eben auch in
der Publikationsaufsicht. Wir sind uns ziemlich sicher, dass der
Angriff letzte Woche mit so einem Ding gemacht wurde. Das wirft
natürlich die Frage auf, ob wirklich die organisierte Kriminalität
dahintersteht.“
„Du
meinst, es könnte etwas Politisches sein?“
„Zumindest
ist die Publikationsaufsicht geradezu begeistert von dem Gedanken,
hierfür magische Agenten verantwortlich zu machen. Aber bislang wissen wir einfach nicht, wer es ist“, antwortete der Beamte
geduldig und setzte dann an Kannidos gerichtet nach: „Deswegen
befürchte ich, wirst du dir einen neuen ... Anbieter suchen müssen.
Deinen bisherigen werden wir hochnehmen müssen.“
„Aber
… aber es gibt doch wirklich keinen Grund anzunehmen, dass er
irgendwas damit zu tun hat“, wandte Kannidos ein, obwohl er wusste,
dass es nicht helfen würde.
„Kann
sein. Kann aber eben auch nicht sein. Er hat über dich Zugang zur
Polizei“, der Beamte nickte zu Kannidos' Geliebten, „zur
Publikationsaufsicht und wer weiß wohin noch. Selbst wenn er dich
nicht ausfragt, könnte er genug Informationen gesammelt haben, um das
biometrische Schloss auszutricksen. Gibt nur einen Weg, es herauszufinden.“ Er
stand wieder auf und setzte an Kannidos' Geliebten gewandt fort:
„Aber keine Sorge, die PA will nicht, dass wir deinen Freund
festnehmen. Und dein Chef hat im Namen der Mordkommission auch schon
Bedenken angemeldet. Also werde ich da nichts gefunden haben. So viel
hat sich unter der Guten Ordnung dann doch nicht geändert.“
„Pass
auf, dass ich dich nicht als Dissidenten bei den Internen
anschwärze“, scherzte Kannidos' Geliebter, „Kommst du eigentlich
mit zum Spiel?“
„Ich
befürchte, meine bessere Hälfte hat andere Pläne. Oh und tut mir
Leid, Kannidos, aber wenn ich jemanden vernehme, muss ich etwas
Distanz bewahren. Mir wird schon jetzt schwindelig dabei, wenn ich
auch nur an Befangenheit und Einflussnahme denke. Du verstehst?“
„Ja,
natürlich“, antwortete Kannidos und öffnete dem Beamten, dem
besten Freund und Arbeitskollegen seines Geliebten die Tür. Als er sie wieder geschlossen hatte, lehnte er sich mit dem Rücken dagegen. Sie waren
allein.
„Du
hättest mich ruhig vorwarnen können, was mich hier erwartet“,
sagte er schließlich.
„Durfte
ich nicht. Tut mir Leid.“
„Verstehe.“
Sie schwiegen eine Weile.
„Du
hast mich vorhin deinen Verlobten genannt.“
„Stimmt.“
„Das wollten wir doch erst sagen, wenn es einen Termin gibt.“
„Das wollten wir doch erst sagen, wenn es einen Termin gibt.“
Kannidos
nickte. „Dann sollten wir endlich einen festlegen.“
„Wirklich?“
„Ja.
Ich wollte damit eigentlich bis zum Spiel warten.“ Kannidos zögerte. Er
musste erst selbst herausfinden, warum er sich plötzlich dazu
entschlossen hatte. Noch dazu mit solcher Bestimmtheit. Er hatte
diese letzte symbolische Bindung an seinen Geliebten hinausgezögert,
immer wieder aufs Neue verschoben. Selbst, dass er bis zum Spiel
warten wollte, stimmte nur halb: Er wartete immer bis zum nächsten
Anlass, nur um ihn dann doch verstreichen zu lassen.
Warum
hatte er dieses Mal das Gegenteil getan?
„Ich
brauche wohl jemanden, der mich beschützt. Meinen Mann.“
Die nächste Geschichte erscheint in zwei Wochen. Die Kannidos-Reihe basiert auf Der Beste Staat. Darin findet ihr mehr Geschichten aus der Guten Ordnung.
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