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Ehrliche Arbeit


Die Lieferdrohnen, die Einschienenbahnen und die elektrischen Dienstfahrzeuge rauschten wie das Herbstlaub, durch das der Wind ging. Ein Vergleich, der für die meisten Menschen nichts bedeutete, denn es gab in der Urbanität kaum Bäume und das Herbstlaub verschwand sofort, dafür hatte der Demokratische Staat gesorgt, mehr noch galt es unter der ach-so-guten Ordnung. Für die meisten Menschen musste man den Klang des Herbstlaubes, durch das der Wind ging, mit dem Summen von Drohnen, Bahnen und Autos vergleichen, damit sie sich darunter etwas vorstellen konnten. Die wenigsten nahmen Landurlaub, um in einen Wald zu gehen und zu lauschen.
Der Geschichtenerzähler hatte das getan, genau wie er jetzt vor dem kleinen Café saß, das wohl seit dem großen Wirtschaftskrach das letzte verbliebene seiner Art war und vermutlich die letzte versteckte, dreckige Ecke in einer durchgeplanten Metropolis, die eigentlich keine Nischen vorsah, sondern nur große, offene, saubere Plätze. Aber selbst die Nische war mit ein paar Menschen randvoll, die so waren wie er – und auch außerhalb der eigenen vier Wände ihre Ruhe suchten. Es war erstaunlich, wie sehr der gemeinsame Wunsch aller, diese Ruhe nicht zu stören, disziplinierte. Er fühlte sich, als säße er in einer Freiluftbibliothek. Aber er kam vom Thema ab: Er saß in diesem kleinen Café, wo er im Freien und mitten in einer Stadt doch seine Ruhe hatte, aus einem einzigen Grund: Um zu wissen, wie es sich anfühlte. Um es schreiben zu können. Ruhe, Alleinsein. Das gab es sonst einfach nicht mehr.

Er war kein berühmter oder auch nur erfolgreicher Geschichtenerzähler, im Gegenteil. Es gab so viele von seiner Sorte und mit dem Zusammenwachsen der Sprachen war auch der Markt für Bücher geschrumpft. Man sollte das Gegenteil erwarten: Immerhin konnten seine Werke statt ein paar hundert Millionen nun Milliarden im Original lesen. Nur las der durchschnittliche Bürger des Demokratischen Staates eben auch nur so und so viele Bücher und wenn er damit auf der Liste der meistverkauften oder bestrezensierten ganz oben anfing … kam kaum jemand jemals beim 1000. Buch von Millionen veröffentlichten an. Wer las in seinem Leben schon 1000 Bücher? Geschweige denn in einem Jahr. Im nächsten Jahr begann das dann wieder von vorne. Er war eben nur ein guter Geschichtenerzähler und nicht einer der besten. Aber auch das nur, wenn er seinen paar hundert treuen Lesern und seiner Mutter glauben konnte.
Der Demokratische Staat hatte vor dieser Entscheidung, Freiberufler, Schreiberling, Kulturschaffender zu sein, – einen fehlgeleiteten, da konservativen und autoritär gemeinten aber immerhin – Respekt. Das Amt für Gnade und Brot, dessen historische Hauptaufgabe war, Menschen davor zu bewahren, zu verhungern oder aus Armut zu Unrecht eingesperrt zu werden, hatte ihm ab und zu in Briefen nahegelegt, sich einen Nebenverdienst zu suchen und ihm Vorschläge gemacht. Es war aber nie weiter oder zu Sanktionen übergegangen, die andere zu erdulden hatten, wenn sie sich nicht wenigstens einer brotlosen Kunst hingaben.
Gewiss, ein Einkommen wäre schon hilfreich gewesen. Aber wer hatte denn die Zeit für soetwas? Er hatte mit zwei verschiedenen Frauen drei Kinder in die Welt gesetzt und war damit versehentlich seiner Bürgerpflicht nachgegangen. „Die Welt muss bevölkert werden“, murmelte er vor sich hin, während er diese Zeilen schrieb und musste auf einen bösen Blick vom Nachbartisch eine Entschuldigung gestikulieren. Der Demokratische Staat hatte Kindermachen, egal in welcher Konstellation, begünstigt, insbesondere wenn es mehr als zwei Kinder waren. Die Gute Ordnung dagegen legte wert darauf, dass Kinder nur aus festen, stabilen Beziehungen entstanden. Sie verweigerte nicht das Kindergeld für die Bastarde, die schon in der Welt waren. Aber für alle weiteren, die sehenden Auges in eine Welt gesetzt wurden, die die Umstände ihrer Zeugung nicht billigte, gab es keine staatliche Hilfe. Das lag hauptsächlich daran, dass keine weiteren Magier entstehen sollten, nicht einmal versehentlich entstehen durften und jede Eheschließung von der Eugenik abhängig gemacht wurde. Allein das Glück im genetischen Lotto nicht gewonnen zu haben, hatte seine Kinder davor bewahrt, dem Ende der Magie zugeführt zu werden. Außerdem behauptete die Gute Ordnung, dass aus Kindern aus festen Beziehungen auch bessere Menschen würden, weil sich die Eltern intensiver um sie kümmern würden. Beides war falsch. Das eine moralisch, das andere sachlich.
Gegen das eine schrieb er insgeheim an, in Andeutungen, aber Politik war nicht sein Metier, er war schon gar kein Widerstandskämpfer und überhaupt, war er nur ein einziger Mensch unter Milliarden, dessen Bücher ohnehin niemand las. Was konnte man von ihm erwarten? Aber vielleicht war es auf lange Sicht auch besser so, dachte er in zynischen Momenten. Das andere dagegen widerlegte er einfach durch sein eigenes Beispiel. Auch wenn rein rechtlich nichts bei ihm zu holen war, teilte er sein Geld und seine Zeit mit seinen Kindern und ihren Müttern, soweit er konnte, half aus, wenn es erwünscht war, insbesondere seit er wieder ein normales Verhältnis zum Wein entwickelt hatte.
Über Kinderbetreuung und Geschichtenerzählen hinaus kamen auch noch alle älteren Mütter- und Väterchen aus seinem Block zu ihm, wenn sie wieder Probleme mit der Technik hatten oder den Ämtern oder einfach nur einen schönen Brief an ihre Kinder, Enkel oder Urenkel schreiben wollten. Es war ja nicht so, als wäre er untätig. Als säße er die ganze Zeit im Café oder im Wald auf Landurlaub.
Wer hatte da Zeit für Arbeit?
Die Gute Ordnung hatte eine andere Meinung zum Thema. Sie wollte ihm sein Existenzminimum nicht wegnehmen, schlimmer: Sie bestand darauf, ihn zu „ehrlicher Arbeit“ erziehen zu wollen. Zum Fleiß. Heute, in diesem speziellen Moment, sollte er eigentlich in einem Seminar über die richtige Arbeitseinstellung sitzen. Aber er hatte wirklich Besseres zu tun: Er schrieb gerade das Beste, was er je geschrieben hatte. Andererseits glaubte er das bei jedem seiner Werke.
Ja, dachte er, klappte seine Tastatur zusammen und stand auf. Seinen Kaffee hatte er schon digital bezahlt. Das alles war ein halbwegs akzeptabler Entwurf für den Hauptcharakter seines Romans. Sicher, vieles davon würde er noch abwandeln, kein Plan überstand den ersten Kontakt mit der Wirklichkeit des Schreibens. Der autobiographische Charakter war vielleicht sogar etwas Gutes für die Vermarktung, immerhin waren Autobiographien vor fünf Jahren der große Renner gewesen, weshalb im Jahr darauf der Markt überfüllt gewesen war und nun niemand mehr Autobiographisches schrieb, aber die Leute vielleicht schon wieder Lust hatten, soetwas zu lesen. Mit dem ausgearbeiteten Grundgerüst hatte er gute Chancen, in diese Lücke hineinzuveröffentlichen, wenn er sich ein bisschen ranhielt.
Aber das war auch genug für heute, denn immer öfter erwischte er sich dabei, nur unkonzentriert in den stahl- und glasverhangenen Himmel zu starren. Also ging er um drei Ecken, eine Treppe hinunter und fand sich auf einem Platz wieder, prall gefüllt mit eisverschmierten, schreienden Kindern und verschwitzten, schreienden Erwachsenen. Alle Welt schrie dieser Tage, als müsste man das Rauschen des Herbstlaubes übertönen. Dabei hatten nur die Kinder wirklich gute Gründe dafür.
Für einen Moment überlegte er, was er als Nächstes tun wollte. Vielleicht hatte ihm jemand eine Nachricht geschrieben, die ihm weiterhalf. Also holte er sein Telephon aus der Tasche, schaltete es wieder an – alles andere war in der Nische verboten – und öffnete seine persönlichen Nachrichten: Er hatte eine Erinnerung vom Amt für Gnade und Brot erhalten, dann eine missbilligende Nachricht, dass, wenn er nicht noch erscheine, dies schwerwiegende Konsequenzen haben würde. Welche?, fragte er sich. Die Mutter seiner zwei Töchter hatte ihm geschrieben, dass es der jüngeren wieder gut ginge, nachdem sie Fieber bekommen hatte. Ein Glück, dachte er, aber das half ihm auch nicht weiter.
Ihm blieb wohl nichts Anderes, als nach Hause zu gehen. Eis hatte er in seinem eigenen Gefrierfach. Also ging er zur Empore, wo die Bahnen auf mehreren Ebenen hindurchsummten, ein paar hundert Meter weiter auf der anderen Seite des riesigen, offenen, sauberen, menschenvollen Platzes. Ein paar Hilfspolizisten lungerten zu zehnt auf dem Bahnsteig herum, entschlossen sich aber heute, miteinander beschäftigt zu sein, statt verdachtsunabhängige Personenkontrollen an Menschen durchzuführen, die so aussahen, als kämen sie vom Südkontinent.
Unbescholten stieg er in die Bahn, die ein paar Sekunden später einschwebte und ein paar Minuten später stieg er aus, nahm einen Fahrstuhl ein halbes dutzend Stockwerke nach oben und fand sich vor seiner Wohnung wieder. Wo zwei Polizisten auf ihn warteten. Gefahr erkannt, drehte er sich einfach in eine andere Richtung, als habe er von Anfang an den durch die gläsernen Außenwände hell erleuchteten Gang nehmen wollen. Das Linoleum quietschte unter seinen Schuhen.
Hey, warten Sie mal!“
Er ging weiter, als sei er nicht gemeint. Dann hörte er schnelle, quietschende Schritte hinter sich, er drehte sich um, ein Beamter blieb vor ihm stehen, der andere rannte an ihm vorbei und versperrte ihm den Weg in die andere Richtung. „Wo wollen Sie denn hin? Ihre Wohnung ist doch da vorne“, schiss der Polizist mit verschränkten Armen klug.
Ach? Jetzt wo Sie‘s sagen! Ich hatte etwas vergessen. Das kam mir gerade in den Sinn.“
Soso. Sie sind erstmal in Gewahrsam genommen.“
Bitte? Und warum? Wenn Sie mich festnehmen, müssen Sie mir auf der Stelle sagen, warum.“
Sie sind nicht fest, sondern in Gewahrsam genommen. Mehr dumme Fragen und der Kollege versucht‘s mal mit Handschellen.“ Der Geschichtenerzähler verabscheute Gewalt. Er war dafür nicht gebaut und ihre bloße Andeutung, brachte ihn zum Schweigen.
Sie brachten ihn nach unten, ganz nach unten, wo eigentlich nur die Dienste unterwegs waren, die Technik und Netzanschlüsse herumbrummten. Andere Uniformierte steckten gerade ein paar verwahrloste Gestalten in das Polizeifahrzeug, in das auch er gesetzt wurde und im Gegensatz zu den anderen Insassen, ließen sie seine Hände frei. Zusammen mit dieser entzückenden Gesellschaft, von denen einer offenkundig psychologischer Hilfe bedurfte und laut genug gegen die längst ausgelöschte Magie zeterte, um jedes Gespräch mit den klarer wirkenden Insassen zu verhindern, wurde er später aus dem Fahrzeug genommen und in eine große Gewahrsamszelle gesteckt. Darin fand er neben verlebten Trinkern, auch ein paar Lebemänner von seinem eigenen Schlag vor. Er lernte einen netten Dauerstudenten kennen, dessen Eltern ihn schließlich finanziell nicht mehr unterstützen wollten, weshalb er sich von reichen Witwen aushalten ließ. Ein Lebensstil, den die gute Ordnung nicht als freiberufliche Tätigkeit anerkennen oder auch nur dulden wollte. Sie verstanden einander prächtig.
Nachdem er sich mit seiner neuen Bekanntschaft für ein paar Stunden hervorragend unterhalten hatte, holten ihn zwei Beamte ohne ein weiteres Wort ab. „Viel Glück!“, rief ihm der Student nach.
Hören Sie, wenn das hier wegen des verpassten Seminars ist: Nachricht angekommen. Beim nächsten Mal gehe ich hin. Versprochen.“
Dafür ist es jetzt zu spät.“
Hören Sie zu, ich habe ...“
Jaja, alle haben Kinder, Familie, eine ganz große Gelegenheit am Haken und was nicht. Aber das hilft Ihnen jetzt nicht weiter und nun still.“
Sie setzten ihn in einen kleinen von einer Glaswand geteilten Raum an einen kleinen, von der Glaswand geteilten Tisch. Eine Amtsärztin betrat den Raum auf der anderen Seite und begann ihm Fragen zu stellen, wohl um seine geistige Gesundheit zu überprüfen.
Sie gehen durch die Wüste und sehen eine Schildkröte. Sie liegt auf dem Rücken und brät in der Sonne. Sie helfen ihr nicht. Warum?“
Ich weiß nicht. Weil ich keine Hände habe? Weil es eine böse, magische Schildkröte ist?“ Sie notierte seine Antwort.
Schließlich wurde er, nachdem die Ärztin noch seine eigentlich vertraulichen medizinischen Unterlagen überflogen hatte, für voll arbeitsfähig erklärt. Dann kam er zurück in die Zelle. Ein paar Minuten später war sein studentischer Freund wieder bei ihm: „Wie hast du auf die Schildkrötenfrage geantwortet?“
Sie schuldet mir Geld und ich foltere es aus ihr heraus“, antwortete der Student.
Sadist.“
Am nächsten Morgen, so verriet es die Uhr an der Wand, wurden sie wieder in ein Fahrzeug gesteckt, wo der Geschichtenerzähler mit dem Kopf auf der Schulter des Studenten einschlief. Die Fahrt dauerte vermutlich Stunden, aber niemand sagte ihnen auch nur, wo sie hingebracht wurden. Einem Trinker, der das zu oft, zu laut gefragt hatte, hatte ein Hilfspolizist die Nase zertrümmert. Ein richtiger Polizist hatte ihn dafür getadelt, aber weitere Konsequenzen gab es nicht, außer dass niemand mehr wagte, Fragen zu stellen. Auch am Ende der Reise erfuhren sie nicht, wo sie waren: Sie wurden im Keller irgendeines Gebäudes abgeladen. Dort erwartete sie ein Spalier aus Sicherheitsleuten, die keine Polizisten waren und ihnen Kleidung in die Hand drückten.
Umziehen.“
Gibt es eine Umkleidekabine?“, hörte sich der Geschichtenerzähler fragen. Die Sicherheitsleute lachten ihn aus. Bemüht seine Würde zu bewahren, zog er sich vor aller Augen umständlich um. Danach wurden sie eine Treppe hinauf geführt in etwas, das aussah, wie ein Hallenbad. Nur grimmiger, denn das Becken lag im Dunkeln und es gab nur vergitterte, milchige Fenster. Hier wurden sie in einer Reihe aufgestellt, durchgezählt, ihre Namen überprüft und danach wieder einzeln in kleine Räume geführt. Dieses Mal versteckte sich der Arzt nicht hinter einer Glaswand, stattdessen wurde der Geschichtenerzähler auf einem Stuhl fixiert.
Sie werden mit einem Ortungsimplantat versehen, damit die Polizei und das Amt für Gnade und Brot Sie finden können. Das Gerät wird an Ihrer Wirbelsäule angebracht, weshalb jeder Versuch, es rauszureißen, nicht empfehlenswert ist. Jeder Versuch es zu entfernen, ob professionell oder nicht, wird einen Alarm auslösen, der die nächste Polizeistreife herbeieilen lässt und dieser Tage ist immer eine Polizeistreife in der Nähe. Das Gerät ist überempfindlich, das heißt, sie werden ab und zu ohne Grund Besuch von der Polizei bekommen, die überprüft, ob noch alles richtig sitzt.“
Das heißt, ich komme wieder frei?“
Wenn Sie diese Maßnahme erfolgreich absolvieren. Alles klar soweit?“
Mir ist klar, dass Sie mir das nicht gegen meinen Willen einpflanzen können, weil das gegen Ihren ärztlichen Eid verstoßen würde.“
Ts ts, ich bin doch kein Arzt. Ich bin Bio-Ingenieur“, erklärte der Kittelträger, während er aus dem Sichtfeld des Geschichtenerzählers trat, etwas herumklapperte und ihn schließlich mit einer Nadel piekste. „Lokale Betäubung.“ Einige Minuten später wurde der Geschichtenerzähler wieder nach draußen geführt, wo er sich seinen Platz in den gelichteten Reihen der Entführten suchte. Eine halbe Stunde später, als alle wieder da waren, wurde eine Art Balkon über dem Becken erleuchtet. Eine kleine, rothaarige Frau stand darauf. Sie trug eine Uniform, aber er konnte nicht erkennen, was für eine Uniform. Sie wirkte streng und sie sprach streng. Ihre Stimme hallte durch den Raum:
Meine Herren. Sie alle sind bisher sorglos durchs Leben gegangen, Sie haben bisher geglaubt, geregelte, ehrliche Arbeit sei verzichtbar und Sie alle haben geglaubt, es wäre ja nicht so schlimm, schwach zu sein, weil Sie es sich eben erlauben konnten. Bis eine äußere Macht kommt und eine Situation über Sie bringt, die keine Schwäche erlaubt. Genau wie die Monarchisten und Aenorianer jederzeit einen Krieg über uns bringen könnten, weil sie ihre magischen Verbündeten in der Guten Ordnung und damit auch ihre Kontrolle über uns verloren haben. So wie es Ihnen ergehen wird, weil Ihre Muskeln und Ihr Geist schwach sind, würde es der Guten Ordnung ergehen, erlaubte sie Teilen ihrer selbst, schwach zu sein. Es ist die gute und ehrliche Arbeit, die die Gute Ordnung nicht nur stark, sondern auch gesund erhält. Und alle werden ihren Anteil dazu beitragen müssen. Damit Sie dies lernen, haben wir eine Lektion vorbereitet.“
Das Becken wurde erleuchtet. Es bestand aus zwei Ebenen. Auf der unteren lagen Schalen. Auf der oberen Matratzen. Außerdem gab es ein Klo und eine Dusche ohne Sichtschutz. Der Geschichtenerzähler schauderte.
Die untere Ebene wird sich mit Wasser füllen und Ihre einfache Aufgabe wird es sein, dieses Wasser in den Ablauf zu gießen, der sich am Beckenrand mit dem Wasserspiegel nach oben bewegt. Solange Sie Ihre Arbeit machen, ist alles in Ordnung. Solange Sie sich wie zivilisierte Menschen benehmen und arbeitsteilig vorgehen, werden Sie kein Problem damit haben, den Wasserstand unter der zweiten Ebene zu halten, wo Sie nach einem erholsamen Schlaf von 8 Stunden wieder an die Arbeit gehen können.“
Worauf sie nicht einmal hinwies, war, dass zwei Hände breit unter dem Rand ein Gitter angebracht worden war und der Abfluss bis zum Beckenrand aufsteigen konnte, nicht aber die Gefangenen.
Was Sie lernen werden, ist, dass das Überleben einer Gruppe von der Mitarbeit aller abhängt und dass wenn einige wenige nicht mitarbeiten, alle darunter zu leiden haben. “
Es war eine ganz unbegreifliche Folteranstalt. Das Gitter wurde vor ihnen geöffnet, wo sie eine Leiter hinuntersteigen mussten. Einen, der sich widersetzte, warfen sie einfach hinein. Er hatte Glück, dass er sich auf den Fliesen nichts brach. Das Wasser sprudelte schon, als sie noch hinabstiegen. Die Schalen schwammen, als er ins hüfthohe Wasser stieg und begann eine Schale zu füllen, um sie in die Rinne am Rand des Beckens auszugießen, die auf der Höhe seiner Schultern ruhte, wenn das Wasser nicht höher stand. Er wusste nicht, wie sie überleben sollten. Selbst als sie alle im Wasser standen, konnten sie es nur knapp davon abhalten, die zweite Ebene zu fluten. Wer als erster schlafen durfte, entschied nicht irgendein Konsens oder das Los, sondern wann sie vor Erschöpfung zusammenbrachen. Das Wasser stieg dann langsamer und irgendwann durfte auch er schlafen. Er hatte keine Kraft, sich mit dem Studenten zu unterhalten. Nicht an diesem Abend und an keinem der noch kommenden Abende.
Stattdessen schaufelte er. Und schaufelte. Und schaufelte. Und schaufelte. Und er begann die zu hassen, die nicht mitschaufelten oder zu wenig schaufelten.


 Eine von neun Geschichten aus Der Beste Staat: Geschichten aus der Guten Ordnung

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