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Von besorgten Bürgern, besorgten Bürgern im Nadelstreifen und besorgten Bürgern in Uniform

Von Sahra Wagenknecht über Sigmar Gabriel bis hin zu Ursula von der Leyen sind sich viele (zum Glück nicht alle und hoffentlich auch nicht die meisten) Bundespolitiker einig: Man müsse mit PEGIDA reden, Probleme und Sorgen ernst nehmen usf.. Ohne darauf einzugehen, wie gefährlich es schon ist, Rassismus als "Sorge" zu verharmlosen und dass man in den letzten Jahrzehnten gut daran getan hätte, mal die Sorgen von Opfern von Rassismus und die Ängste von Antirassisten ernst zu nehmen: Die demonstrative Dialogbereitschaft ist nicht nur ein völlig falsches Signal an die GIDA-Bewegungen, die sich bestätigt fühlen dürfen, weil "die da oben" und sogar "die Linken" ihrem Drängen nachgeben, schlimmer: Das Nachgeben gegenüber Rassisten ermöglicht diesen ganz real Diskurse zu bestimmen. Das hat dann zur Folge, dass Asylrecht nicht mehr mit der Zielstellung diskutiert wird, Menschen in Not zu helfen, sondern um Rassisten zu beglücken - und aus diesen Diskursen entstehen dann mit der gleichen Zielsetzung Gesetze und Verwaltungspraxis.

Abgesehen davon ist die Suche nach dem Dialog mit PEGIDA völlig sinnlos, ist die Bezugsquelle für ihre Ideologie doch nicht die reale Welt oder das bessere Argument, sondern das Ressentiment. Mit Fakten und Argumenten lassen sich Menschen, die es nicht besser wissen wollen, nicht überzeugen. Im Zweifel ist den PEGIDAnten alles linksgrünversiffte Zionistenhomolobbylügenpressepropaganda. Wie weit einige von ihnen gehen, um sich bloß nicht inhaltlich auseinandersetzen zu müssen, mussten einige Journalisten am eigenen Leib erfahren: Schon bei den ersten Interviews mit PEGIDAnten, wie sie bspw. der NDR veröffentlichte, erschallte der mit erhobene Fäusten bekräftigt allzu bedrohlich wirkende Ruf "Lügenpresse" und die mehrfache Aufforderung nicht mit "denen" zu reden. Später wurde sogar ein Kameramann von Russia Today, das sich bisher noch jeder reaktionären Protestbewegung angebiedert hatte, angepöbelt, bedrängt und in seine Kamera geblendet. Am 21. Januar wurden daraus in Leipzig Jagdszenen auf Journalisten. Diese Gewaltexzesse kamen also keineswegs aus dem Nichts.
Die Kritik am Umgang mit den PEGIDA-Artigen muss sich daher nicht nur gegen manch dialogbereiten Politiker richten, sondern auch gegen die Polizei. Dass Journalisten durch die Straßen gejagt wurden, obwohl in Leipzig tausende Polizisten im Einsatz waren, ist einer kompletten Fehleinschätzung des Gefahren- und Gewaltpotentials der PEGIDA-Artigen durch die Polizei zu verdanken.
Ja, hier demonstriert die sogenumwobene Mitte der Gesellschaft. Nein, das macht die Demonstranten weder nett noch friedlich. Ganz zu schweigen davon, dass sich unter LEGIDA auch knallharte Neonazis gemischt hatten: Spätestens wenn Vermummung, Beschimpfungen, Drohungen und Wurfgeschosse gegen Journalisten hinzukommen, wie sie in einigen Videos dokumentiert sind, hätte man selbst vom trägsten Anhänger der Extremismustheorie erwartet, dass die für antifaschistische Demonstrationen gut antrainierten Reflexe greifen und die Demonstration mit Wasserwerfen und Pfefferspray von der Straße gefegt wird - oder wenigstens die Menschen, die Ziel des sich Bahn brechenden Hasses waren, geschützt werden. Die sächsische Gewerkschaft der Polizei, die sich im Vorfeld noch als einzig wahrer Hüter der Demokratie und der Grundrechte aufgespielt hat und meinte LEGIDA-Gegner über die Wichtigkeit dieser Werte belehren zu dürfen, hat sich hoffentlich mittlerweile vor Scham über das eigene Versagen aufgelöst.
Während die Rassisten die als "Deutschland" bezeichneten gesellschaftlichen Verhältnisse im Grunde total super finden und sich daher einreden, dass es an den Ausländern liegen muss, wenn doch etwas schief läuft, redet sich die andere Hälfte der "Mitte der Gesellschaft" aus dem gleichen Grund ein, dass es in ihrer ach-so-tollen Gesellschaft keine grundlegenden Probleme und daher auch gar nicht so viele Rassisten geben kann.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, genießen die Rassisten bei denjenigen, die für sich so gerne in Anspruch nehmen, die Mitte der Gesellschaft zu repräsentieren, wohl Narrenfreiheit. Nur mit einer solchen Narrenfreiheit jedenfalls ist das Vorgehen der Polizei bzw. das Nichtvorgehen zu erklären, aber auch die zum Himmel schreiende Blödheit der sächsischen Zentrale für politische Bildung, PEGIDA eine Bühne zur Verfügung zu stellen und eine Öffentlichkeit zu schaffen, in die sie unwidersprochen ihre Thesen blasen konnten. Als wäre die Zusammensetzung der letzten Günter-Jauch-Runde nicht schon schlimm genug gewesen.
Wie schnell man auch von diesem Punkt aus zu PEGIDA gelangen kann, versucht währenddessen Ministerpräsident Tillich unter Beweis zu stellen. Weil seine Volksgenossen keine Rassisten sein können, sucht er die Schuld bei "dem Islam", der sich nicht ausreichend vom Terrorismus distanziere. Dort sind sich PEGIDA und Tillich also wieder einig: Wenn etwas falsch läuft, ist der Ausländer schuld. An deutschen Zuständen kann es nicht liegen.

2 Kommentare :

  1. Ist es nicht eher Xenophobie als Rassismus? Der "Dönermann von nebenan" wird schließlich geduldet und der Islam ist keine Rasse ...

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    1. Wenn man die grundsätzlich gleichen Vorstellungen von der Ungleichwertigkeit von Menschen propagiert, nur ohne das Wort "Rasse" zu verwenden, aber komischerweise entlang der Linien, die bereits Rassisten im 19. Jahrhundert festlegten und die auch komischerweise einen Kulturbegriff haben, der sich hauptsächlich mit dem Volkskörper und dessen Reinerhaltung beschäftigt, halte ich es nicht für falsch von Rassisten zu sprechen. Wem Xenophobie "genauer" erscheint. Bitte. Es ist nicht so, als würde man damit grundsätzlich verschiedene Konzepte beschreiben.
      Was das Tolerieren "Dönermanns von nebenan" angeht, kann man sich ja den sprunghaften Anstieg in fremdenfeindlichen Übergriffen seit PEGIDA zu Gemüte führen.

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