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Rede gegen die Montagsdemonstration in Halle

Wie diejenigen, die mich kennen, mitbekommen haben werden, engagiere ich mich recht eifrig gegen die Montagsdemos der sogenannten "Friedensbewegung 2014". Am 2. Juni hielt ich zu diesem Thema auf einer Veranstaltung gegen die Montagsdemo in Halle folgende Rede:

Ich freue mich, dass wir es wieder geschafft haben, die Kritik an den Montagsdemos der sogenannten Friedensbewegung 2014 in einer richtig-echten Versammlung auf den Markt zu bringen. 
Seit dem letzten Mal waren wir aber natürlich nicht untätig, viele, die auch heute wieder da sind, waren auch an den Montagen ohne offizielle Gegenveranstaltung hier und haben die Demonstrationen kritisch bspw. mit Trillerpfeifen und Zwischenrufen begleitet, sich mit Teilnehmern gestritten und die Redebeiträge, die dort zum Besten gegeben wurden, angehört. 
Das hat allerdings soweit geführt, dass es Journalisten gab, die derart verwirrt waren, dass sie glaubten, bspw. die Linksjugend habe sich an der Montagsdemo beteiligt und dass daher die hallesche Montagsdemo reingewaschen sei vom Verdacht von rechts her unterwandert zu sein. Diese Verwechslung allein ließ eine ordentliche Gegenveranstaltung wieder nötig erscheinen, insbesondere um klarzustellen, dass und warum wir die Montagsdemonstrationen ablehnen. Aber auch aus anderen Gründen war sie nötig – um auf die Gefahren, die von den dort propagierten, einfachsten Weltbildern ausgeht, hinzuweisen, um unsere Kritik öffentlichkeitswirksam artikulieren zu können, und um ein Gegenmodell anzubieten, nicht umsonst treffen wir uns hier unter dem Motto „Friedlich ohne Aluhut“.
Was die Kritik an den Montagsdemos angeht, so haben sich in den letzten Wochen zumindest meine Befürchtungen bestätigt. Auch die Montagsdemo in Halle ist nicht anders als die im Rest Deutschlands, was ja auch wenig verwunderlich ist, da sich diese hier ja explizit und positiv auf die sogenannte Friedensbewegung 2014 bezieht und diese als Vorbild nimmt.
Und was für Vorbilder hat man sich da genommen:
Da wäre Ken Jebsen, der mit merkwürdigen Vogelschwarmmetaphern versucht, seine antidemokratische Gesinnung zu vermitteln, der zufolge Demokratie nicht nur ineffizient, sondern eben auch unnatürlich sei. Wie schnell man beim Sozialdarwinismus landet, wenn man „die Natur“ zum Vorbild für die Ordnung menschlicher Gesellschaft nimmt, lässt sich auch schon aus diesem Vogelschwarmbild erkennen. Wer wie ich als Kind die Zeichentrickserie Nils Holgersson gesehen hat, weiß wovon ich spreche. Der fette Hausgänserich Martin wurde von dem Schwarm, dem er sich anschließen wollte, nicht nur rassistisch angefeindet, weil er nunmal keine Wildgans war, sondern auch nur dann vor dem sicheren Tod bewahrt, wenn er mit dem Rest des Schwarms mithalten könnte. Die Natur ist weder solidarisch noch friedlich. In ihr herrscht das Recht des Stärkeren.
Das geht dann weiter mit Jürgen Elsässer, der ja nicht nur bekanntermaßen ein homophober Rassist ist, sondern ein Nazi erster Güte. So beklagte er in der von ihm herausgegebenen Compact-Zeitschrift nicht nur in seinen Augen unnatürliche Entwicklungen wie die Vermischung von vermeintlichen Menschenrassen oder die Gleichstellung von Schwulen, Lesben und anderen Menschen, die nicht in sein heteronormatives Weltbild passen, sondern auch, dass eine kleine Finanzoligarchie für diese angeblich unnatürlichen Entwicklungen verantwortlich sei, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Ich bin nun wahrlich kein Fan von Hitlervergleichen, aber wer derart eindeutig Mein Kampf abschreibt und lediglich das Wort „Juden“ durch „kleine Finanzoligarchie“ ersetzt, muss es sich gefallen lassen, Nazi und auch glühender Antisemit geheißen zu werden. Da wären aber auch andere schillerende Persönlichkeiten, zu denen ich jetzt aus Zeitgründen nicht ins Detail gehe wie Lars Mährholz, Ralf Schurig oder Andreas Popp, auf den mein Nachredner zum Glück noch eingehen wird.
Da haben sich die Veranstalter der Montagsdemo in Halle wahrlich großartige Vorbilder ausgesucht. Wenig verwunderlich also, dass dem Nazi Jürgen Elsässer hier von einem der Mitveranstalter der Montagsdemo bescheinigt wurde gar nicht rechts zu sein. Auch ein gewisser hallescher T-Shirt-Händler wird euch das versichern können. Dieser T-Shirt-Händler gehört zu den glühendsten Verteidigern der Montagsdemos und war früher mal Blood & Honour, also einer Organisation, die den NSU maßgeblich sowohl ideologisch als auch materiell unterstützt hat. Er nimmt zwar heute für sich in Anspruch, gar kein Nazi mehr zu sein, erklärt aber genauso gerne Antifaschisten, dass sie sich zu den wahren Faschisten entwickeln würden und nimmt die auf den Montagsdemos propagierten völkischen, antisemitischen und geschichtsrevisionistischen Ideologien, mit denen er ja vertraut sein sollte, in Schutz - statt sich in Demut zu üben, zu dergleichem lieber zu schweigen und sein eigenes Gedankengut endlich mal auszumisten, was dazu führen könnte, dass ihm vielleicht irgendwann einmal jemand den geläuterten Ex-Nazi abnimmt – oder er gar wirklich einer wird.
Womit wir bei den Teilnehmern der Montagsdemo wären, denn die Organisatoren befinden sich ja nicht nur im Geiste in bester Gesellschaft. Da wären Neonazis von der Jugendorganisation der NPD – mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen. Da wäre aber auch die AfD, die der NPD mit ihrem antieuropäischen und ausländerfeindlichem Kurs in nichts nachsteht. Die AfD wirbt übrigens massiv für diese Montragsdemonstrationen, sodass ihr im Gegenzug letzte Woche bescheinigt wurde, gar kein bisschen rechts zu sein, obwohl mittlerweile sogar Mitglieder der AfD mit der Begründung austreten, ihnen würde die Partei zu nationalistisch und zu rechtslastig. Da wären außerdem Reichsbürger, die auf ihren T-Shirts die Verweise auf Webseiten tragen, auf denen zu Willkür- und Gewaltmaßnahmen gegen die Justiz aufgerufen wird – sehr friedliche Menschen also – und die die Anschauung verbreiten, die Bundesrepublik sei kein Staat, nur eine GmbH und Deutschland sei immernoch von den bösen Alliiierten besetzt. Auch interessant, wie die Haltung, die Bundesrepublik und damit die im Grundgesetz verankerte Freiheitlich-Demokratische Grundordnung seien illegal, damit zusammenpasst, dass die Montagsdemo ja mit der Ansage begonnen wurde, man wolle da keinen Extremismus. Neben dieser bunten Mischung aller denkbaren Brauntöne finden sich dann aber natürlich noch die üblichen Spinner, wie die Chemtrail-Gegner, also die Leute, die glauben, eine geheime Macht würde mithilfe von Kondensstreifen aus Flugzeugen die Atmosphäre vergiften.
Da muss man sich schon fragen, was JN, AfD, Reichsbürgern und Neonazis im Allgemeinen eigentlich so gut an der Montagsdemo gefällt, dass sie sich dort allesamt einfinden, nicht etwa um Stunk zu machen, sondern um brav zu klatschen und zu nicken. Bei solchen Teilnehmern und solchen Vorbildern ist es jedenfalls sehr erwartbar und wenig verwunderlich, was dabei herauskommt, wenn man sich mit den Montagsdemonstranten unterhält oder einfach den Redebeiträgen zuhört. Neben jeder Menge Lippenbekenntnisse irgendwie für Frieden und gar kein bisschen rechts zu sein, kommen dann auch die … interessanteren Ansichten zum Vorschein. Denn auf den Montagsdemos geht es keineswegs nur oder auch nur überhaupt „irgendwie um Frieden“. 
Das sieht man am besten an der unkritischen Haltung gegenüber dem „großartigen Diplomaten“ Putin. Komisch für eine Friedensbewegung, Russland, das ja auch historisch wahrlich keine Friedensmacht ist, derart zu feiern, obwohl es einen Krieg in Kauf nehmend mal eben in der Ukraine einmarschiert ist – die Begründungen, die man hier hören durfte, warum es okay ist, wenn Russland es tut, sprechen übrigens auch Bände. Der Tenor ist etwa, dass Russland nur die Angehörigen seines Volkes schütze bzw. Heim ins rrrrussische Föderation hole. Volksgemeinschaft lässt grüßen.
Folgerichtig trat dann auch völkisches Gedankengut bspw. in Form von Bismarckzitaten auf den Plan. Mehrfach sowohl in Plakatform als auch in Redebeiträgen durfte man hier montags auf dem Marktplatz hören bzw. lesen, dass das Volk nur in links und rechts oder Parteien oder politische Strömungen eingeteilt würde, um es spalten und beherrschen zu können. Mal ab von der Frage, wer denn diese böse Macht sein könnte, die das Volk da einteilt und beherrscht, ist das in sich schon eine höchst bedenkliche Aussage, hieße das doch, dass sich das Volk – wenn da nicht die bösen anderen außerhalb des Volkes wären – im Grunde einig sein müsste. Eine freie, selbstbestimmte Meinungsäußerung oder gar Meinungsbildung ist in so einem Weltbild gar nicht vorhanden oder auch nur wünschenswert. Man gehört ja entweder zum Volk, ist also seiner Meinung, oder man gehört, wie wir, zu den Feinden des Volkes bzw. ist von diesen Volksfeinden indoktriniert oder bezahlt worden, dann ist man sowieso gefährlich und böse. Pluralismus und pluralistische Demokratie sind damit auch weder nötig noch überhaupt wünschenswert, die stören ja höchstens die natürliche Willensbildung der Volksgemeinschaft – wir erinnern uns an Ken Jebsen und seinen Vogelschwarm.
Wer ist nun aber diese geheime, finstere Macht, die das Volk beherrschen will? Von Elsässer durften wir lernen, es sei eine kleine Finanzoligarchie. Das wurde hier auch zum besten gegeben, sogar von jemandem, der sich als Mitveranstalter der Montagsdemo – und irrwitzigerweise als Antifaschist ausgab. Faschismus hat für ihn auch nichts mit Volksgemeinschaft zu tun, welche besondere Geschichtsschau das nach sich zieht, dazu gleich mehr - aber dieser Veranstalter konnte uns partout nicht sagen, wer diese Finanzoligarchie nun sei, nur dass es sie gibt und sie mindestens an allem Unglück der Welt Schuld sei. Ein einfaches Feindbild, das man bekämpfen und hassen kann, ist freilich eine praktische Sache, aber nicht unbedingt friedensstiftend. Andererseits aber auch wieder doof, wenn man gar nicht weiß, wen man beseitigen muss, damit der Kapitalismus endlich lieb zu allen Menschen ist.
Andere Teilnehmer waren da zum Glück weniger zimperlich: Da hieß es frei heraus, die kleine Finanzoligarchie seien – über den Umweg der angeblich privaten Federal Reserve – die Rothschilds, eine jüdische Familie, zu der bis heute auch Bankleute gehören. Also ganz zufällig mal wieder die Juden – wer hätte es gedacht? Dabei, habe ich mir erklären lassen, hat das freilich nichts mit Antisemitismus zu tun, es sei eben ein historischer Fakt, dass Juden viel Geld hätten.
Warum hat es nun aber gerade die Rothschilds erwischt? Kann ja sein, dass die wirklich total viel Geld haben und den Kapitalismus ganz alleine voll schlimm machen, weil sie so reich und einflussreich sind, dass sie die Geschicke von etwa 7 Mrd. Menschen auf diesem Planeten bestimmen und nebenbei riesengroße Arschlöcher sind und deshalb dafür Sorgen, dass es diesen 7 Mrd. Menschen auch möglichst schlecht geht  – ich darf es euch, auf die Gefahr hin, dass einige enttäuscht sein werden, verraten: Dem ist nicht so.
Tatsächlich gibt es heute noch etwa 3 Finanzunternehmen bzw. Unternehmensgruppen, die Angehörigen der sagenumwobenen Rothschild-Familie gehören – das kleinste von diesen hat nicht einmal einen eigenen wikipedia-Eintrag, muss also mindestens Teil einer riesigen Verschwörung sein. Das Größte hat zwar einen wikipediaeintrag, dafür aber nicht nur weniger Angestellte als die Hamburger Sparkasse, sondern auch weniger Geld als die Hamburger Sparkasse. Die Rothschild haben also eigentlich gar kein Potential für einen weltbeherrschenden Bösewicht. Was die Rothschilds dafür haben ist ein Mythos und eine jüdische Abstammung. Seit hunderten Jahren gibt es eine Tradition antisemitischer Mythen über die Rothschilds und die haben sich nicht verändert. Die hören sich heute noch wie vor 300 Jahren an. Schon damals wurde dieser Familie vorgeworfen, dass sie Kriege auslösen und verhindern könne, wie sie wollen, und sie natürlich auslöst, weil sie daran Geld verdienen könne – also alles, was man auch bspw. auf der halleschen Montagsdemo den Rothschilds vorwirft.
Richtig pervers wird es aber, wenn auch noch der gute alte Geschichtsrevisionismus ins Spiel kommt, wie auch auf dieser Montagsdemo mehrfach geschehen – und da meine ich jetzt nicht einmal die üblichen Reichsbürgerideologien, die wir hier auch schon hören durften: Dass Deutschland ein von den fiesen USA unterdrücktes Land sei und die Bundesrepublik ein Besatzerregime aber mindestens kein Staat sei, das könne man ja daran sehen, dass es Personalausweis heißt und überhaupt brauche Deutschland eine Verfassung sowie einen Friedensvertrag. Den Quatsch will ich mal mit ein paar kurzen Hinweisen abdecken:
1. Das Grundgesetz heißt vielleicht nicht so, erfüllt die Anforderungen an eine Verfassung aber ziemlich gut, so gut, dass andere Länder sogar abschreiben. Es wurde in Ostdeutschland von der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR und zuvor in Westdeutschland von allen frei gewählten Landtagen akzeptiert – ausgenommen davon ist selbstverständlich Bayern. Deswegen gilt es in Bayern bis heute nur unter „König Horst hat einen guten Tag“-Vorbehalt. Aber mir können die Reichsbürger ja mal erklären, was sie an den unverrückbaren Grundsätzen des Grundgesetzes so falsch finden, dass sie unbedingt eine neue Verfassung brauchen. Zu diesen Grundsätzen gehören übrigens die Menschenwürde, das Prinzip des sozialen, demokratischen, föderalen Rechtsstaates und der Wesensgehalt der Grundrecht. Was davon den Reichsbürgern nicht passt, kann ja jeder selbst erahnen.
2. Ein Friedensvertrag ist deshalb unnötig, weil man im Völkerrecht Frieden auch einfach so, ohne Vertrag schließen kann. Das Völkerrecht besteht sowieso zum größten Teil aus „gemachtem Recht“, also Recht, das Recht ist, weil es eben so gemacht wird. Folgerichtig bedarf ein Kriegszustand ja auch nicht erst der förmlichen Kriegserklärung. Es wäre auch irgendwie blödsinnig anzunehmen, dass sich die USA zwar mit Deutschland trotz NATO-Militärbündnis im Krieg befänden, aber während der zwei letzten Golfkriege im Frieden mit dem Irak, nur weil sie keine formelle Kriegserklärung an die irakische Botschaft gefaxt haben und keinen formellen Friedensvertrag mit Deutschland geschlossen hätten.
3. Es heißt Personalausweis, aus dem gleichen Grund, aus dem es Personalpronomen oder Personalunion heißt.
Freilich aber geht es bei der Reichsbürgerideologie nicht um Jura oder auch nur Grammatik, sondern um einen neuen deutschen Opfermythos, obwohl der ja auch ziemlich alt ist, damit man wieder eine Ausrede hat, die fiesen Ausländer, insbesondere den Amerikaner voll doof zu finden und bei Gelegenheit wieder den ein oder anderen Krieg anzuzetteln – der Deutsche führt seine Befreiungskriege traditionell auf fremdem Staatsgebiet. Schon für die Gründung des deutschen Reiches war es aus irgendeinem Grund nötig, in Frankreich einzumarschieren. Da kann sich jeder denken, was passieren wird, wenn die Reichsbürger ihr deutsches Reich wiederaufstehen lassen. Wenn das dabei herauskommt, wenn sich die Deutschen einig sind, bin ich im Sinne des Weltfriedens doch recht dankbar, dass „die da oben“ uns in links und rechts eingeteilt haben.
Worauf ich eigentlich hinauswollte, ist aber die Paarung von Antisemitismus und Geschichtsrevisionismus. Dann wird es richtig widerlich. Denn wenn man einen 300 Jahre alten Mythos, der besagt, dass die Rothschilds an allem Schuld sind, aufgreift und glauben möchte, dann muss man das auch durchhalten. Das führt dazu, dass für alles Übel der Welt seit 300 Jahren, aber zumindest seit der Gründung der Federal Reserve in den USA, also seit 1913 Juden für alles Übel der Welt verantwortlich gemacht werden. Das hieße nicht etwa nationalistische bzw. nationalsozialistische Deutsche, sondern gierige Juden seien Schuld am 1. Weltkrieg, am 2. Weltkrieg – und, was das schlimmste ist, Juden seien Schuld am industriellen Massenmord an den Juden.
Spätestens an dieser Stelle sollte jeder begreifen, dass die Grenze zum Antisemitismus, Geschichtsrevisionismus und Nationalsozialismus überschritten ist. Und ich persönlich demonstriere grundsätzlich nicht mit, sondern gegen Antisemiten, Nazis und Geschichtsrevisionisten. Wogegen wir heute aber nicht demonstrieren ist Frieden – dafür ist aber sowieso jeder. Die Frage ist zu welchen Bedingungen – und darin unterscheiden wir uns zum Glück von den Montagsdemonstranten. Denn wir wissen, dass mit Antisemitismus und Volksgemeinschaft kein Frieden zu machen ist.

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